The Bruny Baker
- 24. Sept. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. Okt. 2023
„Hier gibt es frisches Brot“, sagt HerrIngenieur in die Stille.
Wir fahren durch die Gegend im Süden von Bruny Island, wie Touristen das so tun und ich schaue auf wunderschöne, hohe Eukalyptusbäume, hin und wieder blitzt das blaue Meer durch die Zweige, keine Menschenseele weit und breit, da hinten hüpft ein kleines Känguru in Zeitlupe davon.
„Wo gibt’s hier denn Brot?“
„Da am Kühlschrank steht ein Schild.“
Aha.

Ich bin noch mit dem Känguru beschäftigt und versuche irgendwie, die Verbindung von frischem Brot und Kühlschrank zu finden, da wendet HerrIngenieur mitten auf der Holperstraße, fährt zurück und da, tatsächlich, am linken Straßenrand steht ein – tja, wie soll man sagen, da steht etwas, das wohl ein Kühlschrank in den 60er Jahren war, daneben noch ein zweites Exemplar, genauso schäbig. Schön verrostet, die Farbe teils abgeblättert, und an der Seite steht in schwarzer Farbe BREAD. Oben auf dem Ungetüm sitzt ein hübsches Schild aus Holz: THE BRUNY BAKER.
Nee, oder? Das muss ein Witz sein, extra für Touristen . . .

Verrostete Kühlschränke und Ingenieure ziehen sich magisch an.
„Da schau ich jetzt mal rein“, sagt’s, „da muss es Brot geben.“
Er zieht die quietschende Tür auf und mein Blick fällt auf eine satte Auswahl von wunderschönem Brot, ein Laib neben dem anderen in braune Papiertüten verpackt, ein herrlicher Duft strömt mir entgegen – hmmm, frisches Sauerteigbrot, dazwischen ein Hauch von Zimt, da gibt es tatsächlich Rosinenbrot? Ich kriege diesen Ablauf wirklich nicht gebacken.

„Es kann doch nicht sein“, sage ich, „dass man hier Brot aus einem alten Kühlschrank am Straßenrand verkaufen darf.“
„Warum nicht“, sagt er, „tolle Idee - und so problemlos!“
„Aber das ist doch unhygienisch!“, sagt FrauLehrerin. „Hier kann doch jeder reinlangen, alles anfassen und . . . und . . . das geht doch nicht!“
„Na klar geht das, ich ess‘ das jetzt“, sagt’s und greift sich das Rosinenbrot.
„Und wie bezahlen wir? Und wo ist überhaupt der Bäcker?“
„Da schau doch, da steht alles geschrieben.“
Ja, da steht in einer Art Kurznovelle alles, was man wissen will, auf braunem Packpapier an die Innentür geklebt: Preis und Inhaltsstoffe, Geld bitte in den Schlitz werfen oder überweisen, Kontonummer und schließlich:
"Vielen Dank euch allen für eure Ehrlichkeit und eure Geduld."

Ja, der meint das ernst, wie jetzt weiter? HerrIngenieur kaut bereits, also stecke ich das Geld in den verrosteten Schlitz an der Innenseite des Kühlschranks. „Echt jetzt, wenn das Gesundheitsamt das wüsste“, meckere ich leise vor mich hin und dennoch - plötzlich fühle ich mich gut! Nicht weil ich ehrlich war, nein, sondern weil mir da jemand blind vertraut, mir und dem besseren Selbst in mir. Bildlich gesprochen, mache ich die Kühlschranktür auf und entgegen kommen mir Freundlichkeit, Verständnis und Wohlwollen.
Um das Maß voll zu machen, findet sich außen auf dem Schrott-Ding noch ein gut gebrauchtes Set von Scrabble Klötzchen, damit kann man dem Bäcker eine Nachricht hinterlassen, wir setzen ein deutsches Danke zusammen.
In den folgenden Wochen werden wir kein Brot der gleichen Qualität finden, weder auf Bruny Island noch in der Hauptstadt Hobart, in der es mehrere Artisan Bäckereien gibt; wir kommen für außergewöhnlich gutes Brot immer wieder zum Bruny Baker zurück.
Und weil ich danach nun etwas mutiger geworden bin, halte ich auf dem Heimweg nach Dennes Point auch an der blauen Kühlbox, ebenso deutlich verschrammt, winzig unter dem Eukalyptus an der Schotterpiste, nehme den Deckel ab und die Flasche Olivenöl raus, werfe meine 20 Dollar ins Metallkästchen, fertig - habe, so stelle ich später fest, das beste Olivenöl aller Zeiten gefunden.
Jetzt bleibt nur noch, in Killora die andere einsame Kühlbox mit dem Honig auszuprobieren; liegt ja alles auf dem Heimweg, und ich lerne, den Erzeugern genauso zu vertrauen wie sie mir. Vielleicht ist dies auch einfach möglich durch eine generelle Gelassenheit von Insulanern, die das Miteinander auf das Wesentliche reduzieren, Respekt und Vertrauen.




Olivenhain in Bull Bay North Bruny



