Matilda - Some Like It Hot
- alq504
- 1. Sept. 2024
- 4 Min. Lesezeit

“Na nun mach schon,” hört man eine Stimme durch die Bäume, “komm jetzt da raus!”
Wir sind zu Fuß unterwegs auf einem sogenannten Koala Pfad im Eukalyptuswald von Tidbinbilla, suchen das, was wir bis heute nicht in natura gesehen haben: hübsche, niedliche Koalas. Sie leben angeblich hier auf dem weitläufigen Gelände in der Nähe von Canberra, der Hauptstadt Australiens und endlich, endlich soll sich das Bärchen, das ja gar kein Bärchen ist, mal in Aktion zeigen, wir sind sehr gespannt.
Auf dem schmalen Pfad schieben wir uns an den riesigen Bäumen vorbei, es fällt kaum Licht durch die hohen Wipfel, als wir wieder die Stimme hören:
“Das ist doch unmöglich, du kannst da nicht bleiben.”
Und endlich sehen wir, wer da so vergeblich ruft. Auf einer Leiter, die an eine Hütte auf Stelzen gelehnt ist, steht ein Ranger und stochert mit einem langen Holzstab durch ein Fenster im Innern herum.

Der kleine rote Punkt in der Hütte links ist der Strahler, Matilda sitzt darunter, das ist der graue Flausch hinter den Eukalyptusblättern unten.

“Das geht so nicht”, sagt seine Kollegin, die unten an der Leiter steht, “die will nicht.”
“Ja, die will nicht, aber sie muss”, sagt er da oben entschieden.
Wir gesellen uns dazu, HerrIngenieur schleicht um die Hütte herum, bewertet die wackelige Konstruktion. Im Innern des Unterschlupfs ist eine Art großer Leuchte zu erkennen, die mit Drähten eher lässig oben an der Decke festgemacht ist, darunter ein paar Holzstämme sowie Eukalyptuszweige und dazwischen graues Fell . . .
Der Ranger sieht meinen besorgten Blick.
“Matilda”, sagt er und deutet ins Hütteninnere, “die sitzt da drin und kommt nicht raus, schon seit Tagen”, erklärt er, “aber sie muss jetzt zu den anderen dort drüben. Die fressen ja auch.”


Jetzt erst sehe ich neben der Hütte zwei possierliche Koalas zwischen den Ästen, genauso wie sie sein sollen mit wuscheligen Ohren und Knopfnase, schmatzend und sehr ausdauernd zerkleinern sie die Zweige ihres Eukalyptus.
Nur da im Innern der seltsamen Hütte scheint etwas nicht zu stimmen.
“Ist sie krank?”, frage ich den Ranger besorgt.
“Krank? Matilda? Nee, die nicht”, jetzt kommt er in Fahrt, “die macht Urlaub, die denkt, das wäre ganz normal, da drin herumzuliegen.”
Aha, und warum kann sie wohl nicht länger da “herumliegen”, wundere ich mich. Und dann hören wir, was ein Koala namens Matilda dem Ranger sagen will.
Da hat sich doch regelmäßig während der Nachtstunden in der Hütte besagte große Leuchte, eine Art Heizstrahler, automatisch angeknipst, damit die drei Koalas nicht frieren im kalten Canberra Winter.
Also etwa so: nachts geht die Lampe an, Koalas kommen von draußen herein, hängen sich auf die Baumstämme unter die wärmenden Strahlen, halten ein wohliges Schläfchen, und danach geht es wieder raus zum Fressen - Koala-Luxus in Tidbinbilla!
Doch dann wütete ein Gewitter im Park, hat irgendwie ins Paradies hineingefunkt, so dass die Lampe nicht mehr automatisch ausging, sondern einfach weiter vor sich hin glühte. Das ließen sich die putzigen Fellnasen nicht zweimal sagen und blieben einfach liegen oder hängen, streckten alle Viere von sich und ahhhhh - ohhhhh - war das kuschelig mal so richtig mit dem Heizstrahler auf dem Fell!
Die Zeit verging, Canberra ist für seine kalten Wintertemperaturen bekannt, und ein Koala ist ja auch nur ein unschuldiges Tier . . . Fortan ließen es sich die Drei weiterhin gutgehen beim Faulenzen auf ihrer "Sonnenbank", nach draußen wollte keiner mehr.
Bis ja, bis wohl einige übereifrige Parkbesucher bei den Rangern nach den Koalas fragten; die seien weit und breit nicht mehr zu sehen. Woraufhin eben jener junge Mann mit seiner Kollegin auszog, die Drei zu suchen und folgerichtig die Schlaumeier in ihrem versteckten Resort entdeckte. Und somit, wir ahnen es, begann die Vertreibung aus dem Paradies: Lampe aus, Schluss mit lustig, jetzt mal raus hier und benehmt euch wieder wie Koalas!
“Die haben da tagelang die Bäuche in die Luft gestreckt”, sagt er schmunzelnd, “haben sich nicht mehr gerührt, war so schön warm, aber sie müssen unbedingt auch hinaus und regelmäßig fressen!”, erklärt er doch etwas besorgt.
Tja, und nun ist da Matilda. Sie will nicht.
Sie liegt da drin auf dem Rücken und streckt das struppige Bäuchlein zur Lampe, ohne Futter aber mit viel Sehnsucht nach Strahlenwärme.
“Komm schon, beweg dich jetzt”, ruft der Ranger wieder, die Kollegin unten hält die Leiter, der oben fuchtelt mit dem Holzstab weiter in der Hütte herum und erntet ein kräftiges Knurren. Matilda lebt also noch und weiß genau, was sie will: liegen bleiben, bis es warm wird.
“Wir haben den Strahler vor zwei Tagen komplett abgestellt, aber es hilft nichts.”
Die beiden Parkwächter sind zwar ratlos, kichern aber doch vor sich hin . . .
Ein Blick auf den Koala im Innern des Unterschlupfs genügt, und man versteht es sofort: Diese Koaladame macht keine Kompromisse; bequem in der Diagonale in einer Astgabel verankert, die Beinchen von sich gestreckt, weiß sie genau, wie es geht: stur sein, abwarten, irgendwann wird es wieder warm dort oben, irgendwann werden die Zweibeiner begreifen: Matilda mag es heiß.
Koalas sind keine Bären, sondern es handelt sich um Beuteltiere. Das heißt, ihr Nachwuchs wird unreif geboren und entwickelt sich erst im Schutz des Beutels weiter. Es ist also nicht richtig, sie Koala Bären zu nennen, der korrekte Name ist nur "Koalas".
Koalas leben ausschließlich in den Eukalyptuswäldern an der australischen Ost- und Südostküste und auf einigen Inseln vor diesen Küsten. Queensland, New South Wales, Victoria und South Australia sind die einzigen australischen Staaten, wo Koalas natürlicherweise in der Wildnis vorkommen.
Quelle: Australian Koala Foundation
Der Tidbinbilla Naturpark, Canberra, (https://www.tidbinbilla.act.gov.au)




Auf 17 Hektar kann man wandern, radeln, Auto fahren oder ruhen. Grillplätze mit Gasbrennern kann man kostenlos nutzen, dazu saubere Toiletten und viel Platz.
So sieht es aus, wenn eine Stadtverwaltung das Wohl ihrer Besucher im Sinn hat.


