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Australien - Kaiserslautern - Weltmeister!

  • alq504
  • 16. März 2024
  • 3 Min. Lesezeit

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“Na, was sagst du dazu?", fragt er.

“Wozu?” 

“Tse, tse”, er rollt die Augen, “Australien - in Kaysörslohtörn - drei Tore!”


Ja klar, was sonst?  Die australischen Zeitungen sind voll von Tore-schießenden “Socceroos in World Cup Dreamland - in Kaiserslautern!"

Der australische Premierminister hat unseren Jungs, our boys, herzlichst gratuliert, seine Minister tragen grün-gelbe Socceroo-Schals über dem grauen Anzug im Parlament in Canberra. Die Socceroos, die australische Fußball-Nationalmannschaft, waren schon Helden seit ihrer Qualifikation für die WM, nun sind sie auf dem Weg zur Unsterblichkeit.

Wie also kann ich an solch einem Tag einfach einkaufen gehen, quasi einen ganz gewöhnlichen Alltag leben?

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"Auf dem Betze" 2006 in Kaiserslautern: Australien gewinnt gegen Japan 3 :1 (Fotos oben: Wikipedia)


Ganz Australien ist im Sieger-Taumel, und seit heute gehört Kaiserslautern selbst hier in Hobart, auf der australischen Insel Tasmanien, zum festen Wortschatz der Bewohner.


Vor mir auf der Ladentheke liegen meine Haselnüsse und Mandelsplitter, mein Gegenüber, ein gutaussehender Mann im mittleren Alter, steht hinter der Kasse seines italienischen Feinkostladens in Hobart, und ich möchte eigentlich bezahlen.

“Ich hab schon viel gesehen”, sagt er, “aber das noch nicht. Drei Tore, unsere Socceroos! Ich schau nur noch Fußball, Tag und Nacht.”

Seine müden dunklen Augen unter schwarzen Brauen brennen mich an: “Dass ich hier rumstehen und arbeiten muss, macht nichts, bin halt müde, aber drei Tore gegen Japan!”

“In Kaiserslautern, ja, die Stadt kenne ich gut.”

“Ach ja? Warum bist du dann nicht dort? Ich weiß gar nicht, was ich eigentlich hier mache! 30 Jahre hab ich darauf gewartet”, sagt er und fegt meine Haselnüsse nach links weg von der Kasse, "und jetzt endlich! Diesmal sind sie dabei, in Kaysörslohtörn."

“Kai-sers-lautern!”

Yeah right, muss eine nette Stadt sein.”

Alles ist nett heute, so scheint’s, lediglich meine Backwaren sind im Weg, die Mandeln folgen den Nüssen - weggeschoben nach links -, ein neuer Kunde kommt herein und wird prompt ignoriert.

“Allerdings, wenn die Socceroos so weitermachen, müssen sie gegen Italien antreten”, ganz bedenklich wackeln jetzt seine Ohren.

“Oh nein, das ist ja furchtbar”, seufze ich und ahne schon, da sind sie kaum drin und fliegen gleich wieder raus . . .

“Ja, shocking, es sei denn”, sagt er und läuft zur Hochform auf, “die Brasilianer spielen so-und-so - you understand?”

Yes, I do.

“. . . und die Italiener müssten dann gegen so-und-so -  understand?”

“ I do.

“. . . dann hätten wir es mit der Czech Republic zu tun, aber damit werden wir fertig - got it?”

Yes, I do”, ich nicke eifrig, fühle mich wie vor dem Traualtar mit seiner kleinen Fußballpredigt, I do, I do, I do, und er hat doch tatsächlich den Pullover verkehrt herum an.

Ich grapsche noch ein Beutelchen Zimt vom Regal rechts neben mir, vielleicht schaffe ich es ja damit, endlich bezahlen zu dürfen.

Doch nein! Der Chef hier bleibt auf dem Spielfeld.

“. . . und dann hätten wir die Brasilianer gegen die Italiener.”

“Auch das noch”, freue ich mich, “das würde ich gerne sehen!”

“Ja”, sagt er, “die verdienen sich gegenseitig.” Wir schmunzeln genüsslich . . . 

Der Kunde von vorhin versucht, sich unnötigerweise einzumischen, wird aber gleich zum hinteren Regal verwiesen.

“Kann gerade nicht hier weg”, ruft's hinter seiner Kasse hervor und dann zu mir etwas leiser:

“Ich bin Italiener. Da müsste ich eigentlich für die Italiener halten."

“Und ich bin Deutsche”, flüstere ich zurück, "eigentlich müsste ich für die Deutschen . . ."

Eigentlich. Wir schweigen in Eintracht.

Eine Winzigkeit schlechtes Gewissen, weil wir beide für die Socceroos die Daumen drücken.

Und ein letztes Mal versuche ich, meine Haselnüsse unauffällig in die Nähe der Kasse zu schieben.

“Also die Socceroos”, seufzt er, “die hätten es wirklich mal verdient!”

“Ja”, sag ich, “die sollten eigentlich mal Weltmeister werden!” 

“Das isses! Und zwar in Kaysörslohtörn.” 

Ich bin jetzt ganz sicher, dass er keinen blassen Schimmer hat, wo und was Kaiserslautern ist, aber jawoll, Socceroos & Weltmeister & Kaiserslautern!

“Ideale Kombination”, stimme ich ihm begeistert zu.

In zwei Sekunden hat er meine Sachen eingepackt, die Kasse klingeln lassen und hat, wie ich beim Hinausgehen sehe, mir noch 50 Cent geschenkt, wollte sich einfach nicht mit Kleingeld aufhalten - nicht an solch einem Tag!

(Siehe auch Artikel unter "Känguru Nanu")


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2006: Leserbriefseite der Tageszeitung "Die Rheinpfalz" mit einer "Leserin" aus Tasmanien; dabei auch ein Fan aus Kaiserslautern, der fragt: "Warum nicht Partnerschaft?" Ja warum eigentlich nicht?


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